Die Angst vor dem Wolf

In der Königsbrücker Heide lebt seit 2011 ein Wolfsrudel. Vor allem Nutztierhalter sind seitdem in ständiger Sorge. Doch wie groß ist die Gefahr wirklich?

Sächsische Zeitung 13-11-2012
Von Annett Kschieschan


Der Wolf steht auf einem Sockel – meterhoch und aus massivem Stein. Er sollte der letzte seiner Art in Sachsen sein und bekam deshalb ein eigenes Denkmal. Es steht in der Laußnitzer Heide, und eigentlich steht es da zu Unrecht. Denn es gibt längst wieder Wölfe in der Laußnitzer und der Königsbrücker Heide. Ein Rudel – das westlichste in Sachsen – ist hier heimisch. Spätestens seitdem wird auch im Altkreis Kamenz mehr oder weniger heftig über den Wolf diskutiert, zuletzt bei einem Vortragsabend in Laußnitz, demnächst in Großröhrsdorf. Fakt ist, der Wolf macht immer noch Angst. Dabei muss das nicht sein, sagen Experten. Die SZ erklärt, warum.


Wo im Altkreis Kamenz leben derzeit Wölfe?

Als sicher gilt die Existenz eines Wolfsrudels in der Königsbrücker Heide. Im Frühjahr 2011 war dort ein ausgewachsenes Tier in eine Fotofalle getappt. Das Königsbrücker gilt als das bislang westlichste Rudel in Sachsen. Die meisten Wölfe leben nach wie vor in Ostsachsen (siehe Grafik), einige inzwischen auch in der Sächsischen Schweiz.

Gab es Wolfsrisse im Kamenzer Land?

Aus der Region um Kamenz wurde im Herbst 2011 ein Wolfsriss in Reichenau bekannt. Schon mehrere gab es im Großenhainer Land. Dokumentiert werden Wolfsrisse – ebenso wie Sichtungen der Tiere – vom Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz. Die Mitarbeiter informieren außerdem in Vorträgen über die Tiere – so wie jetzt in Laußnitz auf Initiative der Westlausitzer Regionalgruppe der Initiative Gesunde Zukunft / BUND.

Wie gefährlich ist der Wolf für den Menschen?

Mensch und Wolf können miteinander leben. Da sind sich die Experten einig. Gesunde Wölfe sind scheu. Kranke Wölfe, die etwa trotz Schutzmaßnahmen immer wieder Haustiere töten oder auffällig wenig Scheu vor Menschen zeigen, können getötet werden – trotz der ansonsten im Jagdgesetz verankerten, ganzjährigen Schonung der Wölfe. Wer in einer Wolfsregion – und zu der zählt der Landkreis – lebt, kann durchaus einem Wolf begegnen. Bei einer Umfrage gab jetzt etwa ein Viertel der Vortragsgäste in der Heide an, schon einmal eines der Tiere gesehen zu haben. Die Experten raten für diesen Fall: Ruhig bleiben. Wer mit einem Hund unterwegs ist, sollte ihn anleinen. Und: Wer einen Wolf sieht, sollte das Kontaktbüro darüber informieren. Das sogenannte Monitoring – also die Erfassung des Tierbestandes – ist wichtig für den künftigen Umgang mit dem Wolf.

Wie wird Tierhaltern nach einem Wolfsriss geholfen?

Pro Jahr wurden in Sachsen zuletzt 4 000 Euro Entschädigungen für getötete oder verletzte Tiere gezahlt. Voraussetzung ist, dass ein Wolf für den Tod des Tieres verantwortlich ist und dass der Halter zuvor in den Schutz seiner Tiere investiert hat. Auch das ruft Kritik auf den Plan. Der Mehraufwand für die Halter sei durch Ausgaben für Schutzzäune, Koppeln oder zusätzliche Flatterbänder enorm, Anträge auf Förderung brauchen zu lange. So mancher Tierhalter fühlt sich mit den Anforderungen alleingelassen.

Warum wird das Thema so kontrovers diskutiert?

Die Angst vor den Wölfen ist in vielen Köpfen fest verankert. Die Wolfsrisse nähren sie. Vor allem Nutztierhalter sorgen sich um ihre Tiere – und um finanzielle Verluste. Auch in der Jägerschaft ist das Thema umstritten. Das weiß auch Christof Schubert. Der Forstrevierleiter in Laußnitz kennt die Heide. Er kennt auch die Ängste – und so manche Legenden – die sich um den Wolf ranken. Er selbst sieht das Thema nüchtern. „Wo wäre der Wolf ohne den Schutz?“ fragt er. Die Region mit ihren großen Waldgebieten und den ehemaligen Tagebaulandschaften im Nordosten biete genug Platz und Nahrung für den Wolf. Freilich erfordert seine Rückkehr auch ein Umdenken beim Menschen. Wer ein Schaf ungeschützt draußen anpflockt, bietet dem Wolf Futter auf dem Tablett und nimmt ihm die natürliche Scheu. Ob der Wolf immer geschützt bleiben müsse, sei dennoch die Frage. „Man sollte schauen, wie sich das Ganze entwickelt, was das Monitoring in einigen Jahren sagt. Wenn er dann hier heimisch ist, sich fortpflanzt, muss man auch über eine Regulierung der Population nachdenken können“, so Christof Schubert.

Wie können die Ängste abgebaut werden?


Durch Aufklärung. „Noch mehr sachliche Informationen“ müssten vermittelt werden, sagt Volker Kurz von der Regionalgruppe des BUND Sachsen. Auch die jüngste, gut besuchte Veranstaltung in Laußnitz habe gezeigt, dass der Bedarf groß ist. Die nächsten Wolfsvorträge stehen daher schon fest.

Auf ein Wort


über die Rückkehr der Wölfe

Lust auf eine kontroverse Diskussion? Dann taugen die Wölfe immer. Egal, ob am Konferenz- oder am Kaffeetisch – zur Rückkehr der Wölfe in die Region hat jeder eine Meinung. Die Bandbreite reicht von der Freude über die Bereicherung der heimischen Tierwelt bis zur Angst, sich beim nächsten Spaziergang vielleicht Auge in Auge mit Isegrim wiederzufinden. Wie so oft zeigt sich auch beim Thema Wölfe: Extreme Positionen machen wenig Sinn. Wer jeden Wolf am liebsten erschießen lassen will, ist genauso wenig ernst zu nehmen wie jene, die das Raubtier mit einem zahmen Hausgefährten verwechseln und am liebsten streicheln würden. Fakt ist, die Wölfe sind da. Es ist an uns, damit umzugehen. Die Experten vom Wolfsbüro informieren und beraten dazu. Sie haben Zahlen, die – auch wenn mancher sie anzweifelt – auf akribischer Recherche und wissenschaftlichen Daten beruhen. Wo es hakt – etwa wenn es um Förderanträge für die Sicherung von Nutztieren geht – muss nachgebessert werden. Insgesamt aber würde uns ein unaufgeregterer Umgang mit dem Thema guttun. Wo der Mensch meinte, rigoros in die Natur einzugreifen, hat er ihr (und sich) fast immer mehr geschadet als genutzt. Auch darüber lohnt es sich, beim Thema Wölfe nachzudenken.

Quelle: sz-online.de/Regional Kamenz



Ansprechpartnerin

Andrea Pohlen

Arbeitskreis Natur- und Artenschutz

0341/ 3 06 53 95

andrea.pohlen@bund-leipzig.de

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