5. November 2014
Stellungnahme zum Bebauungsplan Nr. 343 "Nachnutzung einer Teilfläche an der General-Olbricht-Kaserne“
Sehr geehrte Frau Zetzsche,
sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Sachsen, vertreten durch de BUND RG Leipzig, bedankt sich für die Beteiligung im vorliegenden Verfahren durch Gewährung der Möglichkeit zur Stellungnahme nach § 3 Abs. 2 BauGB. Zugleich äußern wir uns als Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 BauGB.
Dem Bebauungsplan kann nicht zugestimmt werden.
Begründung:
Bereits das Aufstellungsverfahren leidet unter schwerwiegenden Mängeln.
Zunächst ist die öffentliche Bekanntmachung der Auslegung im Amtsblatt der Stadt Leipzig (Nr. 18/2014) fehlerhaft, da die Hinweispflicht nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB hinsichtlich der umweltbezogenen Informationen nicht erfüllt wurde. Die Hinweispflicht gilt auch im Verfahren nach § 13a BauGB, wie sich aus dem entsprechend geltenden § 13 Abs. 2 BauGB ergibt. Der Leser erfährt erst bei Durchsicht der Planbegründung, dass auch ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag Bestandteil der Unterlagen ist, der allerdings in den ins Internet gestellten Planunterlagen auch nicht enthalten ist. Folge der fehlerhaften öffentlichen Bekanntmachung ist, dass in diesem Verfahren ein rechtmäßiger Satzungsbeschluss ohne Wiederholung der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht gefasst werden kann. Der BUND empfiehlt der Stadt Leipzig deshalb im eigenen wohlverstandenen Interesse wegen der Relevanz auch im Rahmen der übrigen Bauleitplanung, sich mit der aktuellen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vertraut zu machen.
Für das vorliegende Verfahren beantragen wir jedenfalls, das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung zu wiederholen.
Das Plangebiet umfasst überdies eine Fläche von ca. 6,7 ha, entgegen der Planbegründung (S. 5) ergibt sich aus Kapitel 16 nichts anderes. Die Wahl des beschleunigten Aufstellungsverfahrens ist damit evident rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 BauGB unter keinem Gesichtspunkt erfüllt sind:
Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Der Bebauungsplan darf nach § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB im beschleunigten Verfahren nur aufgestellt werden, wenn in ihm eine zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung oder eine Größe der Grundfläche festgesetzt wird von insgesamt weniger als 20 000 Quadratmetern, wobei die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen sind (Nr. 1) oder von 20.000 Quadratmetern bis weniger als 70.000 Quadratmetern, wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 dieses Gesetzes genannten Kriterien die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Abs. 4 Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls); die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteiligen.
Wird in einem Bebauungsplan – wie hier - weder eine zulässige Grundfläche noch eine Größe der Grundfläche festgesetzt, ist bei Anwendung des Satzes 2 die Fläche maßgeblich, die bei Durchführung des Bebauungsplans voraussichtlich versiegelt wird. Vorliegend ist anhand der planerischen Festsetzungen erkennbar, dass die voraussichtlich versiegelte Fläche deutlich über 20.000 m² liegt, sodass diese Grenze ohne weiteres überschritten wird und damit bereits Nr. 1 einschlägig ist.
Aber auch § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB kann vorliegend die Wahl des vereinfachten Verfahrens nicht rechtfertigen. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 sind in einer Vorprüfung die Kriterien der Anlage 2 des BauGB mit einzubeziehen. Bei der Prüfung der Umweltbelange (Kapitel 7) sind diese Kriterien nicht umfänglich einbezogen worden. Die Darlegungen in Kapitel reichen für die Zwecke einer Vorprüfung ersichtlich nicht aus. Hierbei ist auch maßgeblich, dass die Größe des Plangebietes nahe an die Obergrenze von 70.000 m² heranrückt.
Eine Schlussfolgerung dergestalt, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Abs. 4 Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären, lassen die Ausführungen keinesfalls zu. Hierbei ist maßgeblich, dass bereits der Begriff der erheblichen Auswirkungen vollständig verkannt wurde, obwohl der Gesetzeswortlaut eindeutig ist. Dieser verlangt, dass keine Auswirkungen auftreten, die abwägungserheblich sind. Dass artenschutzrechtliche Belange mindestens abwägungserheblich betroffen sind, ergibt sich bereits daraus, dass die Erfüllung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in Kapitel 7 nicht ausgeschlossen werden kann. Die Wahl des Verfahrens nach § 13a BauGB ist damit vorliegend nicht zulässig.
Auch aus diesem Grund beantragt der BUND, das Verfahren abzubrechen und ein ordnungsgemäßes Aufstellungsverfahren unter Einschluss eines vollständigen Umweltberichts durchzuführen.
In materieller Hinsicht wurden vor allem die Belange des Natur- und Artenschutzes nicht hinreichend behandelt.
Für die Maßnahmen zum Schutz der Zauneidechse (Lacerta agilis), welche zu den streng geschützten Arten gemäß Anhang IV der FFH-Richtlinie gehört, sind zusätzlich zu den angedachten Maßnahmen Ergänzungen notwendig. Zunächst muss der Lebensraum so genau wie möglich bestimmt werden. Die Zauneidechse ist eine standorttreue Art, welche ein Revier von etwa 100 m² bewohnt. Daher ist es notwendig, diese Fläche genau zu lokalisieren und Schutzauflagen festzulegen festzulegen, um hier eine Beeinträchtigung – sowohl in der Bauphase als auch in der Nutzungsphase - zu vermeiden. Zwar sollen die Freiflächen im nordöstlichen Plangebiet unverändert bleiben, allerdings sind keine diesbezüglichen Schutzmaßnahmen im Kapitel 12.1.7 (Natur und Landschaft) aufgeführt. Abgesehen davon ist zu sehen, dass entsprechende Tötungen vor allem durch Bauarbeiten nicht sicher ausgeschlossen werden können, hier aber keine Schutzauflagen vorgesehen sind. Es wäre insbesondere zu prüfen, inwieweit bereits auf Ebene des Bebauungsplans eine ökologische Baubegleitung als verbindlich vorgesehen werden kann. In jedem Fall sind zusätzliche Untersuchungen auch der offenen Flächen im nordwestlichen Teil des Geländes (angrenzend an den Sportplatz) noch einmal auf Vorkommen zu untersuchen, da sie prinzipiell für die Art genauso geeignet sind wie die im NO der Fläche, nur dass hier, anders als im NO, ein Parkplatz errichtet werden soll und damit das Mortalitätsrisiko besonders hoch ist.
Insgesamt sollen im Plangebiet 81 Bäume gefällt werden. Gemäß Kapitel 12.1.7 (Natur und Landschaft) wird ein Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft wegen § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB für nicht erforderlich gehalten. Dies gilt jedoch allenfalls in den Fällen des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB. Gemäß § 1a Abs. 3 Satz 5 ist ein Ausgleich dann nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig wären. Allerdings handelt es sich – wie bereits gezeigt - um einen Fall des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB (auch wenn dessen Vorgaben im Ergebnis ein vereinfachtes Verfahren nicht erlauben), sodass der Verzicht auf eine Prüfung der §§ 14 ff. BauGB keinesfalls zulässig sein kann. Dementsprechend ist eine Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung mit Festsetzung der entsprechenden Maßnahmen unumgänglich.
Abgesehen davon sind die Angaben zu den Gehölzverlusten auch nicht plausibel. Die Gehölzbestandsaufnahme (7.1.2.) ergab auf dem Gelände rund 500 Bäume mit geschlossenem Kronendach, also waldähnlichem Charakter. In 7.1.3. Punkt 5 wird dann geschrieben, dass "nur" 81 Bäume gefällt werden sollen. Anhand der Planzeichnungen ist nicht nachvollziehbar, dass nur 1/6 der Bäume beseitigt werden sollen und gleichwohl das Gelände offen und parkartig mit Platz für Wege, Parkplätze und private Gärten sein soll.
Unter 7.1.3. Tiere und Pflanzen wird ausgeführt:
"Bei mehreren Ortsbegehungen im Mai/Juni 2013 wurden in den Bäumen u.a. 2 Gehölze mit Rosenkäferbesiedlung erfasst".
Dabei ist nicht genauer definiert, um welche Art aus der Unterfamilie der Rosenkäfer es sich hier handelt. Zu diesen gehört auch der Eremit, von dem auch aktuelle Nachweise aus dem Stadtgebiet von Leipzig bekannt sind. Nur sehr geübte Artspezialisten können die Rosenkäferarten anhand der Larvenkotpillen korrekt bestimmen. Ob dies im zitierten Gutachten (Bioplan Gutachterbüro für Stadt- und Landschaftsökologie, Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag ehem. Lazarett Olbricht-Kaserne in Leipzig - Möckern, 2013) gemacht wurde, kann nicht nachvollzogen werden, da es auf das o.g. Gutachten in der öffentlichen Bekanntmachung keine Hinweise gab. Sollte Osmoderma eremita betroffen sein, weist der BUND darauf hin, dass dieser ist in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführt und dort als prioritäre Art eingestuft ist, für deren Art der Gemeinschaft … besondere Verantwortung zukommt und die gemäß § 44 BNatSchG besonders strengen Anforderungen in der artenschutzrechtlichen Prüfung unterliegt. Laut der FFH-Richtlinie sind Gebiete, in denen das Tier vorkommt, als Schutzgebiet auszuweisen. Insbesondere sind die Brutbäume zu schützen. Da jedoch der Erhalt der Gesamtpopulation umso besser gewährleistet ist, je mehr geeignete Brutbäume zur Verfügung stehen, müssten auch nicht besiedelte Bäume mit Höhlen, sogar schon Bäume mit Faulstellen als mögliche künftige Brutbäume geschützt werden. Es ist deshalb zu bezweifeln, dass die Planung den artenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht wird.
Dass die untere Naturschutzbehörde für die Beseitigung von acht dieser Biotopbäume (der BUND geht von einer höheren Zahl potentieller Biotopbäume aus) bereits eine Ausnahme gemäß § 30 Abs. 3 BNatSchG bzw. eine Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 BNatSchG in Aussicht gestellt hat (S. 17 der Planbegründung), ist angesichts der Tatsache, dass in einem solchen Befreiungsverfahren zunächst die anerkannten Umweltvereinigungen beteiligt werden muss, doch verwunderlich.
Generell bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das Artenspektrum nicht hinreichend erfasst wurde. In den Unterlagen werden Freibrüter, also Vögel, die auf dem Boden leben bzw. dichtes Strauchwerk brauchen, gar nicht angesprochen. Auf der Fläche gibt es Amsel, Mönchsgrasmücke u.ä., Rotkehlchen, Nachtigall, Zaunkönig und natürlich auch Igel. Außerdem existieren Hinweise auf Erdkröten. Es ist überdies nicht erkennbar, wie groß die Fläche für die zu schützenden Arten sein wird. Es reicht nicht aus, Nistplätze oder Brutplätze anzulegen, sondern die Tiere brauchen auch entsprechend große Areale, um zu jagen bzw. sich zu ernähren.
Weiterhin wird nicht hinreichend deutlich, in welchem Umfang für den Fall der Umsetzung des Plans Beeinträchtigungen erwartet werden und in welchem Umfang Biotope zerstört werden. Dies wird besonders augenfällig bei den zwar im Anhang genannten verschiedenen Sträuchern, die aber im gesamten Text vollständig vernachlässigt werden.
Für den Fall, dass die Planung in einem ordnungsgemäßen Verfahren fortgeführt werden soll, fordert der BUND deshalb, dass ausreichend große Areale für die Naturschutzbelange zur Verfügung gestellt werden und zwar mindestens 30% oder 40 % der Grünflächen- Diese Flächen sollten unbedingt Mindestgrößen haben je nach Art / Artengruppen und völlig von jeder intensiven Nutzung ausgeschlossen werden und Wege oder Straßen oder sonstige Infrastruktur nicht durchschnitten werden. Eine Mahd der Grünflächen sollte nur max. 2 mal im Jahr erfolgen. Sinnvoll wäre eine Ausprägung als Biotopverbund. Diese Areale sind vorzugsweise mit einer Wildblumenmischung zu begrünen und der Insektenschutz ist durch den Verzicht auf Chemie in jeder Form (Spritzmittel u.s.w.) zu gewährleisten, ebenso ist das Anbringen von " Insektenhotels" förderlich.
Sollten Wasserflächen, Brunnen u.s.w. geplant werden so ist dabei auch ein Anteil zur Verbesserung der Situation der Arten zu fordern. Zumindest sind Zugänge für Tiere anzulegen oder zu gestalten, die keine tödliche Gefahr darstellen (wie Brunnenkanten für Igel und Kleinsäuger u.s.w).
Die Lage der Areale ist so zu wählen, dass eine möglichst "natürliche " Entwicklung der Flächen möglich ist (also nicht direkt an der Straße direkt) und diese von Menschen soweit möglich nicht betreten werden. Eine zumindest teilweise Eingrenzung mit Totholz und/oder Bruchsteinhaufen oder gern auch gesetzten Trockenmauern ist hier zu fordern.
Wir bitten um Beteiligung im weiteren Verfahren.
Mit freundlichen Grüßen
BUND Regionalgruppe Leipzig
Franziska Heß
Stellvertretende Vorsitzende
BUND Sachsen e.V. / Regionalgruppe Leipzig