13. April 2015
Stellungnahme zum Antrag der Fa. Becker Umweltdienste GmbH auf wesentliche Änderung der Anlage zur zeitweiligen Lagerung und Behandlung von nicht ge-fährlichen sowie zur Lagerung von gefährlichen Abfällen
Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Landesverband Sachsen e.V. und die Regionalgruppe Leipzig bedanken sich für die Beteiligung im vorliegenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren und nehmen wie folgt Stellung:
Die beantragte Erweiterung der Lagerfläche sowie die Erweiterung des Katalogs der zu lagernden Abfälle werden abgelehnt.
Die Fa. Becker Umweltdienste GmbH beantragt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Erhöhung der Lagerkapazitäten sowie zur Erweiterung der zu lagernden Abfälle. Vorgesehen ist es, die statische Lagermenge für gefährliche Abfälle auf 194 t sowie die Durchsatzkapazität auf 4000 t pro Tag zu erhöhen. Gleichzeitig soll die statistische Lagermenge für nicht gefährliche Abfälle auf 1640 t erhöht werden, die Durchsatzkapazität soll auf 36000 t pro Tag steigen. Die derzeitige genehmigte Lagermenge für gefährliche und nicht gefährliche Abfälle ergibt sich nicht aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen, so dass aufgrund der Erweiterung des Betriebsgeländes mit einer massiven Erhöhung der Lagerungsmengen zu rechnen ist.
Gem. § 16 BImSchG ist die wesentliche Änderung der Anlage genehmigungspflichtig. Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 ergebenden Pflichten erfüllt und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
1. Fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung
Wir halten das Vorhaben der Fa. Becker Umweltdienste GmbH für UVP-pflichtig nach Nr. 8.9.1.1 der Anlage 1 zum UVPG. Beantragt werden u. a. die Errichtung und der Betrieb einer Anlage zur Lagerung von Abfällen mit einer Gesamtlagerkapazität von 194 t gefährlicher Abfälle. Es besteht derzeit keine Verpflichtung oder Auflage, die angenommenen Abfälle für die Dauer unter einem Jahr einzulagern. Daher ist es grundsätzlich möglich, dass die hier beantragten Abfälle auch länger als für die Dauer eines Jahres auf dem Betriebsgelände gelagert werden. Es ist aus unserer Sicht u.a. die Nr. 8.9.1.1 der Anlage 1 zum UVPG einschlägig, da eine Gesamtlagerkapazität für gefährliche Abfälle von 150 t überschritten wird.
Zur näheren Begründung ist darauf aufmerksam zu machen, dass bei der Beurteilung von Vorhaben nach §§ 3a ff. UVPG i.V.m. Nr. 8.9 des Anhangs I im Hinblick darauf, ob diese UVP-pflichtig und/oder vorprüfungspflichtig sind, wegen des Vorrangs des Unionsrechts die maßgebliche Richtlinie 2011/92/EU ebenfalls heranzuziehen ist. Deren Anhang II erfasst Abfallbeseitigungsanlagen, die nicht durch Anhang I Nr. 9 und 10 erfasst werden. Für die Bestimmung des Begriffs Abfallbeseitigungsanlagen verweisen Nr. 9 und 10 (und damit auch Anhang II) auf die Richtlinie 2008/98/EG. Deren Art. 3 Nr. 19 definiert Beseitigung als “jedes Verfahren, das keine Verwertung ist“ und verweist auf die „nicht erschöpfende Liste von Beseitigungsverfahren“ in Anhang I. Dieser erfasst unter D 15 auch die „Lagerung bis zur Anwendung eines der unter D 1 bis D 14 aufgeführten Verfahren (ausgenommen zeitweilige Lagerung – bis zur Sammlung - auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle)“. Indem der deutsche Gesetzgeber nun die „Zwischenlagerung“ mit Lagerzeiten unter einem Jahr ganz generell aus der UVP-Pflicht ausgenommen hat, wurde im Sinne der Rechtsprechung des EuGH eine ganze Klasse von Projekten pauschal aus der UVP-Pflicht ausgenommen (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 16.09.1999, C-435/97 (WWF), Flughafen Bozen –Rn. 36 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unzulässig.
Dem Antrag ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung beizufügen, die eine Ermittlung, Beschreibung und Bewertung des Vorhabens auf die in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG genannten Schutzgüter enthält.
2. Anwendung der 12. BImSchV
Wir halten die Auffassung des Vorhabenträgers, dass die Anlage nicht unter den Anwendungsbereich der 12. BImSchV (Störfall-Verordnung) fällt, für unzutreffend. Gem. § 2 Nr. 3 der 12. BImSchV ist ein „Störfall ein Ereignis, wie z.B. eine Emission, ein Brand oder eine Explosion größeren Ausmaßes, das sich aus einer Störung des bestimmungsmäßigen Betriebs in einem unter diese Verordnung fallenden Betriebsbereich (…) ergibt.“ Vorliegend handelt es sich um die Absicht des Vorhabenträgers, gefährliche Stoffe zu lagern. Diese können bei einem Störfall erhebliche Beeinträchtigungen der Umweltmedien Boden, Luft und Wasser hervorrufen und somit zu ernsthaften Gefahren für die Allgemeinheit führen. Wir fordern die zuständige Genehmigungsbehörde deshalb dazu auf, besonders detailliert zu prüfen, in wie weit durch eingelagerte Stoffe und Abfälle die Mengenschwellen aus dem Anhang I der 12. BImSchV erreicht oder überschritten werden. Gegebenenfalls ist eine Nebenbestimmung zum Genehmigungsbescheid zu erlassen, der den Vorhabenträger zu einem elektronischen Überprüfungssystem der Einhaltung der Mengenschwellen im Betrieb der Anlage verpflichtet. Der allgemeine Verweis im Genehmigungsantrag, dass die Anlage nicht unter die 12. BImSchV fällt, ist jedenfalls ungenügend.
3. Unzureichende Staubausbreitungsprognose
Das erstellte Gutachten zur Beurteilung der Staubimmissionen ist aus unserer Sicht nicht aussagekräftig. Die ermittelte Vorbelastung des Gebietes beruht auf Werten aus den Jahren 2011 und 2012 und ist nicht mehr aktuell. Als Beurteilungspunkt für die Vorbelastung wird die Messstation Leipzig – West angegeben. Das Betriebsgelände der Fa. Becker Umweltdienste GmbH ist jedoch im äußersten Norden Leipzigs gelegen. Des Weiteren ist das Betriebsgelände von mehreren Staub emittierenden Gewerbebetrieben sowie der Autobahn umgeben. Die Vorbelastung ist daher aus unserer Sicht weitaus höher zu beurteilen, als im Gutachten angenommen. Unberücksichtigt bleiben bei der Ermittlung der Staubbelastung das umliegende Ökosystem sowie landwirtschaftliche Nutzflächen. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die direkt an das Betriebsgelände angrenzen, sind als Immissionsbeurteilungspunkt zu berücksichtigen. Das durch den Vorhabenträger erbrachte Gutachten ist somit nicht geeignet, die zu erwartenden schädlichen Umwelteinwirkungen zu ermitteln.
4. Verstoß gegen wasserrechtliche Vorschriften
Einer Genehmigung stehen wasserrechtliche Vorschriften entgegen. In den Planunterlagen werden nur geringfügige Ausführungen zur Wasserhaltung und Niederschlagsentwässerung vorgenommen. Dazu wird ausgeführt, dass die Erweiterungsfläche bereits versiegelt ist und an das Abwassersystem angeschlossen ist. Ob der entsprechende Untergrund auch vollumfänglich wasser- und stoffundurchlässig ist und den Anforderung an eine Lagerung von konterminierten Stoffen genügt, ergibt sich aus der Anlage des Genehmigungsantrags nicht. Weiterhin fehlen Ausführungen dazu, wie das durch die gelagerten Abfälle verunreinigte Niederschlagswasser und zur Berieselung eingesetzte Wasser aufbereitet wird. Insofern müssen wir davon ausgehen, dass das beantragte Vorhaben eine Gefährdung für das Grundwasser darstellt. In diesem Zusammenhang ist auf § 47 Abs. 1 WHG zu verweisen, der das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot für den mengenmäßigen und chemischen Zustand des Grundwassers enthält. Diese Vorgabe ist zwingend zu beachten und erfordert eine nähere Untersuchung, in wie weit das Vorhaben eine Gefährdung bzw. Verschlechterung für das Grundwasser darstellt.
5. Schädliche Bodenverunreinigungen
Es sind schädliche Bodenverunreinigungen i. S. v. § 2 Abs. 3 BBodSchG zu erwarten. Wie bereits erwähnt, erfolgt die Lagerung der Abfälle teilweise ohne Überdachung und diese sind demzufolge der Witterung ausgesetzt. Beispielsweise über den Luftpfad werden Schadstoffe auf die umliegenden Flächen eingetragen. Beeinträchtigungen ergeben sich dadurch für die natürlichen Bodenfunktionen aus § 2 Abs. 2 BBodSchG. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass an das Betriebsgelände landwirtschaftlich genutzte Flächen angrenzen, die zur Nahrungsmittelproduktion dienen. Hier ist durch den Vorhabenträger der Nachweis zu erbringen, dass eine Beeinträchtigung durch Schadstoffeinträge nicht besteht. Die erbrachte Ausbreitungsberechnung der Stäube bezieht sich auf Immissionsorte von menschlichen Siedlungen und ist daher nicht geeignet, eine Gefährdung auszuschließen.
6. Anwendung des Vorsorgeprinzips
Im Sinne des Vorsorgeprinzips fordern wir eine Überprüfung der tatsächlich entstehenden Emissionen durch geeignete Messeinrichtungen. Die geplante Anlage sieht sowohl eine überdachte und freie Lagerung von Abfällen vor. Damit sind die Abfälle der Witterung ausgesetzt, so dass in Folge von Verwehungen durch Wind oder durch Niederschläge auch schädliche Umwelteinwirkungen außerhalb des Betriebsgeländes hervorgerufen werden können. Wir halten daher eine messtechnische Überwachung der von der Anlage ausgehenden Emissionen für erforderlich.
7. Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 3 Nr. 3 BImSchG
Wir weisen weiterhin auf die Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 3 Nr. 3 BImSchG (Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks) hin. Nach § 5 Abs. 3 BImSchG hat der Betreiber die Anlage so stillzulegen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und für die Nachbarschaft hervorgerufen werden können. Wir regen an, analog zu den Bestimmungen aus § 12 Abs. 1 S. 2 BImSchG, eine Sicherheitsleistung für die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks einzufordern. Wir begründen diese Forderung damit, dass die Lagerung von Abfällen vergleichbare Verunreinigungen des Geländes nach sich zieht, wie dies bei Abfallentsorgungsanlagen zu erwarten ist.
8. Zusammenfassung
Das beantragte Vorhaben ist UVP-pflichtig. Eine UVP ist zwingend durch den Vorhabenträger zu erstellen. Weiterhin gehen von der hier beantragten Anlage schädliche Umweltauswirkungen aus, die einer Genehmigung entgegenstehen. Daneben ergeben sich Zweifel daran, dass die Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 3 Abs. 1 BImSchG erfüllt werden. Auch die Regelungen der 12. BImSchV sind aus unserer Sicht anzuwenden.
Mit freundlichen Grüßen
David Greve
Landesgeschäftsführer
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